Preiszerfall bei Annahme der Agrar-Initiativen?

Als erstes möchte ich klar stellen: Bei dieser Abstimmung finde ich, dass es nicht um Lebensmittelpreise gehen soll - es geht um unsere Lebensgrundlage und sauberes Trinkwasser, leistungsfähige Böden und eine gesunde Gesellschaft sind ein unbezahlbares, kostbares Gut!

Der Standpunkt vieler (Bio-)Landwirte ist, dass
a) sich Angebot und Nachfrage von alleine regeln (Bio-Anteil momentan ca. 12%)
b) Landwirte unternehmerisch handeln sollen und dürfen (produzieren was der Markt verlangt)
c) die Lebensmittelpreise allgemein steigen
d) Vor allem die Biopreise dann stark sinken und dies die Biobauern am meisten trifft

Meine Ausführungen basieren auf der Annahme der Pestizid-Initiative UND der Ablehnung der Trinkwasser-Initiative - würden beide Initiativen angenommen, ist der Grenzschutz im Bereich Tierwohl nicht gegeben! Es besteht dann die Gefahr von ausländischem billig-bio-Fleisch - unsere Tierwohlvorschriften sind einmalig, auch in der Konventionellen Landwirtschaft!

a) Mindest-Standards gibt es überall
Wir haben bei uns z.B. Mindest-Lohn-Bestimmungen, die auch von der EU akzeptiert werden müssen - ich sehe keinen Grund, wieso man keine Vorschriften machen soll/darf betreffend der landwirtschaftlichen Praxis. Pestizid-frei zu produzieren darf ein Mindeststandard sein, um unsere Lebensgrundlage zu schützen, genau so wie es Verboten ist, Gülle und Industrieabwäser direkt in einen Bach zu leiten...

b) "Bio ist noch nicht fertig erfunden"
(Zitat Martin Ott, Film Minute 59:00, https://youtu.be/FWh-K-GtBFU) Es bleibt wohl sehr viel unternehmerischen Handlungsspielraum, um das biologische System weiter zu entwickeln. Es wird Innovationen in den Anbausystemen, Maschinen, Pflanzenstärkungsmittel und vor allem auch im Umgang mit Konsumenten brauchen! 

c) ...ja die Lebensmittelpreise steigen, sollen sie auch!
Ich weiss nicht, woher es kommt, dass wir Landwirte grösstenteils für Stundensätze arbeiten, die es nötig machen, deutlich mehr als 42-h/Woche zu arbeiten, damit wir genug zum Leben haben... bei Musikern & Künstlern ist dieses Phänomen auch verbreitet, vielleicht liegt es daran, dass wir vor lauter Leidenschaft nicht dafür einstehen, auch die nötige finanzielle Wertschöpfung zu erhalten? 
Die Annahme der Pestizid-Initiative ist aus meiner Sicht ein geeigneter Zeitpunkt, dass jeder Bauer unternehmerisch denkt auf der ganzen Linie, an seinen Schreibtisch sitzt und die Preise durch kalkuliert - wenn's nur 25 Franken pro Stunde ist für den Anfang! Wenn der Bauernverband die gleichen Bemühungen unternehmen würde, wie bei der 2*Nein-Kampagne, um alle von einer anständigen Preiskalkulation zu überzeugen, hätten wir faire Preise nach der Annahme der Pestizid-Initiative (weil diese beinhaltet einen Grenzschutz!). Wenn der Bauernstand wirklich zusammenhält, und sich jeder Betrieb weigert, seine Produkte unter diesem Preis an die Verarbeiter zu liefern, werden die Preise steigen. In fast jeder anderen Branche würden Firmen am Laufmeter Konkurs machen, wenn sie sich dermassen unterbieten würden, wie dies in der Landwirtschaft der Fall ist! Das Funktioniert nur (noch), weil auf den meisten Betrieben die Bäuerin, die Eltern und Geschwister unentgeltlich mitarbeiten und dies meistens über 60 Stunden pro Woche.
Der Durchschnitts-Schweizer gibt nur einen Bruchteil seines Einkommens für Lebensmittel aus. Es wäre für unseren ökologischen Fussabdruck (https://www.wwf.ch/de/nachhaltig-leben/footprintrechner) von Vorteil, wir müssten mehr für's Essen und weniger für (Wegwerf-)Güter ausgeben. Wir sollten (v.a. auch die Biobauern) hinstehen und sagen: Wir schauen zum Land, verzichten auf Pestizide, möchten aber auch Wertschätzung für unsere Arbeit. Dies erreichen wir nur, in dem wir den Konsumenten unsere Arbeit erklären - nicht in dem wir Ausrufen "ihr kauft dann doch das billigste". Wir müssen der Bevölkerung Sinn, Nutzen und Überlegungen unseres Handeln erklären, somit steigt die Wertschätzung und damit die Zahlungsbereitschaft. Die Leute müssen wieder wissen, woher das ihre Lebensmittel kommen und welche Arbeit dahinter steckt. Liebe Landwirte und Landwirtinnen, anstatt Vorwürfen ist es an der Zeit Fragen zu stellen an die Konsumenten und sie einzuladen an eurer Arbeit teil zu haben - sei es virtuell oder vor Ort auf dem Hof!
d) ...ja die Bio-Bauern müssen vorwärts machen, damit sie sich weiterhin von der Masse abheben können, aber dafür gibt es noch Raum. Und wo liegt das Problem, wenn wir alle gleich viel für unsere Produkte erhalten, solange der Preis fair ist?